02 Jun

Wer will heute noch Trainer von Beruf sein?

TRAINER-BERUF, POSITIONIERUNG. Nur „Trainer“ – das möchte fast kein Anbieter im Bildungs- und Beratungsmarkt mehr sein. Die meisten streben danach, zumindest „Berater“ und „Coach“, wenn nicht gar „Speaker“ und „Evangelist“ zu sein.

 

Ein Vorzug einer langjährigen Berufserfahrung ist: Man registriert gewisse Trends und Entwicklungslinien. So hat sich zum Beispiel das Selbstverständnis der im Bildungs- und Beratungsmarkt tätigen Akteure stark gewandt.

 

„Der Trainermarkt hat sich in den vergangenen 30 Jahren sehr stark verändert.“

Vor fast 30 Jahren, also um das Jahr 1990, waren in ihm vorwiegend (Einzel-)Trainer und einige Trainingsinstitute aktiv, deren Namen fast jeder Marktteilnehmer kannte – z.B. das Horst Rückle Team, das Team Connex, das Machwürth Team, die VA Akademie und, und, und …

 

Und viele dieser Trainer und Trainingsinstitute waren Mitglieder in den beiden Verbänden

  • DeGefest, also der Deutschen Gesellschaft zur Förderung des Seminar- und Tagungswesen, der heute fast nur noch Tagungshotels und Kongresshallen angehören, und
  • BDVT, also dem Berufsverband Deutscher Verkaufstrainer, der heute nach mehreren Umbenennungen „Berufsverband für Training, Beratung und Coaching“ heißt.

 

Aus Trainern werden „Trainer, Berater, Coaches“

Doch um das Jahr 1995 wollten viele Trainer plötzlich keine Nur-Trainer mehr sein. Also fügten sie dem Begriff „Trainer“ auf ihrer Visitenkarte das Wort „Berater“ hinzu – weil ihr Selbstanspruch nun lautete: Künftig wollen wir nicht nur die Mitarbeiter der Unternehmen trainieren, sondern die Unternehmen und ihre HR-Bereiche auch ganzheitlich, konzeptionell beraten. Faktisch änderte sich hierdurch zwar wenig. Doch fortan stand auf den Visitenkarten der meisten Akteure im Bildungs- und Beratungsmarkt „Trainer und Berater“.

 

Dabei blieb es bis um das Jahr 2000 der Begriff „Coaching“ in Mode kam und das allgemeine Credo lautete: Künftig werden in der Weiterbildung und Personalentwicklung der Unternehmen individuelle Fördermaßnahmen eine größere Rolle spielen. Also fügten immer mehr Akteure im Bildungs- und Beratungsmarkt auf ihrer Visitenkarte zu den bereits vorhandenen Begriffen noch das Wort „Coach“ hinzu, so dass dort nun „Trainer, Berater, Coach“, kurz TBC, stand – obwohl es sich bei den unter dem Begriff Coaching angebotenen Leistungen in der Regel gar nicht um Coachings, sondern Trainings-on-the-job handelte.

 

(Möchte-gern-)Speaker wollen keine Trainer mehr sein

Danach war im Markt erneut einige Jahre weitgehend Ruhe – bis ungefähr zur Finanzkrise 2008. Plötzlich träumten viele TBC-Erkrankte (also Trainer, Berater, Coaches) davon, „Speaker“ zu sein – ein Traum, der von der German Speakers Association, kurz GSA, die sich sehr professionell vermarktete, befeuert wurde. Also fügten immer mehr Berater auf ihren Visitenkarten ihrer Berufsbezeichnung noch das Wort „Vortragsredner“ bzw. „Keynote Speaker“ hinzu. Derselbe Wandel vollzog sich auf den Webseiten, über die inzwischen alle Anbieter im Bildungs- und Beratungsmarkt verfügten. Zudem erschienen die ersten Speaker-Videos im Netz.

 

„Nur noch Trainer – oder Facilitator – will heute fast niemand von Beruf mehr sein.“

Zugleich verschwand zunehmend das Wort „Trainer“ von den Visitenkarten und Webseiten vieler Akteure im Bildungs- und Beratungsmarkt – nicht nur weil vielen Möchte-gern-Speakern das Trainingsgeschäft zu mühsam wurde, sondern auch weil ihnen einige Marketingberater für Berater ins Ohr flüsterten: „Wenn Du ein Speaker sein möchtest, dann darfst Du Dich auf Deiner Webseite nicht zugleich als Trainer präsentieren.“

 

Als Folge davon bieten heute viele Akteure im Bildungs- und Beratungsmarkt auf ihrer Webseite gar keine Seminare und Trainings mehr an – zumindest nicht in der Form konkreter, entwickelter Produkte. Und wenn dort vereinzelt noch zwei, drei offene Seminarangebote stehen? Dann dienen diese primär Marketingzwecken. Faktisch finden von diesen Seminaren mindestens 90 Prozent nie statt. Ernsthaft promoten tun ihr Trainingsgeschäft jedoch immer weniger Anbieter im Bildungs- und Beratungsmarkt – obwohl sie hierfür im Internet-Zeitalter viel mehr Möglichkeiten als noch vor 20 Jahren hätten.

 

Echte Skill-Trainer werden zunehmend rar

Fakt ist: Die Zahl der Akteure im Bildungs- und Beratungsmarkt, die sich explizit bzw. primär als Trainer verstehen, nahm in den letzten Jahren sukzessiv ab. Gestiegen ist hingegen die Zahl der selbsternannten „Vor- und Querdenker“ und „Evangelisten“, die in der Regel auch gerne Speaker wären. Faktisch sind sie jedoch nicht selten Tagträumer, die die Illusion hegen: Das was ich zuhause in meinem stillen Kämmerchen gedacht habe, hat noch nie jemand vor mir gedacht; meine Gedanken sind einzigartig, genial und revolutionär. (Faktisch ist es jedoch meist eher „labbriger Quark“).

 

Fakt ist zudem: Es gibt im Bildungs- und Beratungsmarkt kaum noch Anbieter,

  • die sich wie ehedem die VA Akademie explizit als Trainingsinstitut verstehen und
  • wie diese früher unter einem Slogan wie „Auf den Punkt trainiert“ offensiv Trainings anbieten und vermarkten.

Das heißt nicht, dass es im Markt keine Anbieter mehr gibt, die dies könnten. Solche existieren durchaus! Doch weil sich inzwischen fast alle Anbieter im Markt als (Top-)Managementberater bzw. -beratungen präsentieren, ist diese Kernkompetenz – sofern sie existiert – bei den meisten von ihnen für Außenstehende kaum noch wahrnehmbar.

 

„… Dadurch entstehen zum Teil interessante Markt-Lücken.“

Für Unternehmen bedeutet dies nicht selten: Wenn sie gewisse Skills bei ihren Mitarbeiter trainieren möchten, fällt es ihnen schwer, einen passenden Trainingsanbieter zu finden. Denn inzwischen lautet die Kernbotschaft von fast allen Anbietern „Führung muss sich verändern“ oder „Verkaufen muss sich ändern“ oder kurz „die Kultur der Unternehmen und der Mindset ihrer Mitarbeiter müssen sich ändern“.

 

Dies mag ja sein. Doch, dass man – egal wie der Mindset aussieht – zum Führen und Verkaufen, zum effektiv (neudeutsch „agil“) arbeiten und zusammenarbeiten auch gewisse Skills braucht, das haben viele Anbieter vergessen: Hauptsache, der Mindset stimmt.

 

Jeder will die Kultur und den Mindset ändern

Daran tragen oft auch die Marketingberater für Berater eine Mitschuld. Denn sie suggerieren ihren Klienten nicht selten: „Wenn Ihr wie gewünscht ‚wachsen‘ wollt…“ bzw. „…. Eure Ziele erreichen wollt, dann müsst Ihr Euch bzw. Eure Organisation auf das ‚Next Level‘ heben.“

 

Viel sinnvoller wäre es oft, ihnen zu sagen: „Schuster bleib‘ bei Deinen Leisten. Mache das, was Du aufgrund Deiner Biografie kannst, wirklich richtig gut und vermarkte es konsequent. Das bringt Dich weiter als davon zu träumen, ein renommierter Speaker sowie Quer- und Vordenker zu werden, der ein gefragter Sparringpartner für Unternehmer und Top-Manager ist, denn die Voraussetzungen hierfür bringst Du weder aufgrund Deiner Persönlichkeit, noch Biografie mit.“

 

Das hört natürlich kein Berater, gleich welcher Couleur, gern. Also packen viele Marketingberater ihre Klienten lieber auf der Wunschebene, denn dann kann man ihnen etwas verkaufen, als ihnen reinen Wein einschenken.

 

Für viele Newcomer im Bildungs- und Beratungsmarkt wäre es, so meine Überzeugung, jedoch erfolgversprechender, sich als gute Anbieter für Trainings-off- und -on-the-job im Markt zu profilieren als davon zu träumen, sich wie Phoenix aus der Asche zu erheben und auf das „next level“ empor zu steigen.

 

Neue Trainingsdesigns sind nötig und möglich

Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass ihre Trainings dasselbe Design haben sollten wie ehedem zum Beispiel die hochpreisigen Seminare und Trainings der VA-Akademie. Sie dauerten in der Regel mindestens drei, zuweilen sogar fünf Tage, an denen die Teilnehmer weder zuhause, noch am Arbeitsplatz waren, sondern in einem Seminarhotel logierten.

 

Für solche Seminare und Trainings gibt es heute keinen Markt mehr bzw. dieser ist ein absoluter Nischenmarkt – also sehr, sehr klein. Denn wegen die gestiegenen Arbeitsdichte und Vernetzung in den Betrieben, können oder wollen es sich Unternehmen heute immer seltener leisten, eine Gruppe von Mitarbeitern so lange auf Seminar zu schicken.

 

Dies ist heute dank der modernen Informations- und Kommunikationstechnik oft auch nicht mehr nötig. Denn mit ihrer Hilfe können zum Beispiel Seminare weitgehend von der Vermittlung der kognitiven Lerninhalte entschlackt werden, so dass sie letztlich reine Trainings sind, in denen die Teilnehmer das gewünschte Verhalten (ein-)üben. Und das anschließende Coaching oder Training-on-the-job? Dieses kann heute häufig auch außer per Telefon und Mails, auch über solche Kanäle wie Facetime und Skype erfolgen.

 

„Beim Trainermarketing als Newcomer auch Mal ganz eigene Wege gehen.“

Praktiziert werden solche Trainingskonzepte unter dem Begriff „Blended Learning“ schon lange und nicht wenige Beratungsunternehmen wie zum Beispiel das Machwürth Team realisieren sie auch regelmäßig für Unternehmen. Kein mir bekanntes Beratungs- und Trainingsinstitut schiebt diese Kompetenz jedoch in seiner Außendarstellung so stark in den Vordergrund, dass es in der Branche als „Der Experte für …“ wahrgenommen wird. Stattdessen versuchen fast alle Institute sich als Top-Managementberatungen und als Experten für Leadership, Digitale Transformation, Agilität (und was sonst noch Mode ist) zu profilieren und gehen im Einheitsbrei unter.

 

Ähnlich verhält es sich mit den Einzelkämpfern im Markt. Welcher Berater bietet aktiv und offensiv Trainingskonzepte an, bei denen die Teilnehmer zunächst zum Beispiel ein Webinar durchlaufen und dann online irgendwelche Trainingsunterlagen bearbeiten, bevor sie sich zu einem Tagesseminar treffen und anschließend via Telefon und Facetime gecoacht werden? Ihre Zahl dürfte überschaubar sein. Zwar steht auf manchen Webseiten versteckt „Bei Bedarf könnte ich auch so was machen“, doch offensiv vermarktet werden solche Konzepte nicht.

 

Newcomer sollten die Chance nutzen

Dabei würden sie speziell Newcomern, die mit der modernen Kommunikations- und Informationstechnik aufwuchsen, gute Chancen bieten, sich im Trainings- und Beratungsmarkt zu profilieren. Dass so alte Hasen wie ich, bei denen der Ruhestand am Horizont steht, von diesem neumodischen Kram nicht mehr wissen möchten, dafür habe ich Verständnis. Doch die Jungen sollten die Chance, die ihnen die moderne Kommunikations- und Informationstechnik zum Gestalten zukunftsfähiger Trainingsdesigns bietet, aktiv nutzen.

 

Ihre älteren, finanziell schon weitgehend saturierten (Berufs-)Kollegen werden dies in der Regel nicht mehr tun. Von ihnen wird sich so mancher in den nächsten Jahren auf das „Speaker-sein“ zurückziehen und die moderne Kommunikations- und Informationstechnik primär für die eigene Bühnenshow und zur Selbstdarstellung in den sozialen Medien nutzen.

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