17 Dez

Zwei Drittel aller Projekte scheitern. Wirklich?

WERBEAUSSAGEN BERATER, COACHES. Seit circa 30 Jahren schreibe ich über Personal- und Organisationsentwicklungsthemen. Und ebenso lange begegne ich regelmäßig dem Satz: „Mindestens zwei Drittel aller Pro­jekte in den Unternehmen scheitern.“

 

Er steht in leicht modifizierter Form nicht nur in den einleitenden Passagen fast aller Artikel von Trainern und Beratern zum Thema Change- und Projektmanagement, und fast ebenso häufig findet man ihn in deren Werbeunterlagen.

 

Bernhard Kuntz: „Berater, Coaches sollten bei ihren Werbeaussagen Felderfahrung zeigen.“

Noch nie las ich jedoch in einem Artikel oder auf einer Webseite oder in einem Werbebrief, woher diese Aussage stammt – oder genauer gesagt, auf welche wissenschaftlich fundierte, also nicht von irgendwelchen Beratern zu Marketingzwecken erstellte Studie diese Behauptung sich bezieht.

 

Trotzdem wird sie von Trainer- zu Trainergeneration sowie von Berater- zu Beratergeneration kolportiert, ohne dass sich anscheinend irgendein Vertreter dieser Zunft fragt: Kann diese Aussage überhaupt stimmen? Auf den Punkt gebracht, könnte die Antwort auf diese Frage nur lauten: Sie ist absoluter Nonsens!

 

Als Berater, Coach Phrasen nicht einfach übernehmen

Denn wenn in den Unternehmen tatsächlich zwei Drittel aller Projekte scheitern würden, dann wären diese längst pleite. Und selbst wenn man die Aussage nur auf Change-Projekte bezieht – also auf solche Projekte, die auch auf eine Kulturveränderung in der Organisation abzielen – ist sie Nonsens. Denn auch dann wären die meisten Unternehmen schon vom Markt verschwunden – zumindest, wenn ein anderer von Beratern gern unreflektiert zitierter Satz gilt: Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. (Kaufen nicht eher die langsamen Großen die schnellen Kleinen meist irgendwann auf?)

 

Vermutlich eher zutreffend wäre die Aussage: „Bei zwei Drittel aller (Change-)Projekte werden die Ziele nur teilweise …“ oder „…nur zeitlich verzögert erreicht.“ Wobei man sich auch dann fragen sollte: Woran liegt das? Liegt es wirklich daran, dass die Projekte von den Mitarbeitern nicht unterstützt oder sogar boykottiert werden? Oder liegt es vielleicht zuweilen auch daran, dass das Top Management der Unternehmen, die Ziele bewusst sehr, sehr hoch steckt und den Projektverantwortlichen bewusst sehr knappe Budgets an Zeit und Geld zur Verfügung stellt, um ihnen sozusagen „Feuer unter dem Arsch“ zu machen und die aus ihrer Warte nötige Veränderungsenergie in der Organisation zu erzeugen? Auch dies könnte zumindest eine Ursache sein.

 

Werbeaussagen und -botschaften sollten Felderfahrung zeigen

Auf alle Fälle sollten Trainer und Berater den Satz „Mindestens zwei Drittel aller (Veränderungs-)Pro­jekte in Unternehmen scheitern“ aus ihrem Repertoire streichen – zumindest wenn sie vom Top Management der Unternehmen ernstgenommen werden möchten. Denn mit ihm machen sie sich bei erfahrenen Unternehmensführern lächerlich. Nicht nur, weil er nicht stimmt, sondern auch, weil er suggeriert, in den letzten 30 Jahren habe sich in den Unternehmen kaum etwas verändert. Dabei haben inzwischen viele Unternehmen firmenintern eine große Kompetenz in Sachen Change- und Projektmanagement aufgebaut – auch mit Hilfe firmeninterner Change-Berater.

 

Inwieweit diese Kompetenz in den Projekten – die häufig neben der Alltagsarbeit zu stemmen sind – zum Tragen kommt, ist eine andere Frage. Womit wir wieder bei der Frage wären: Formulieren die Verantwortlichen in den Unternehmen zuweilen für Projekte (bewusst) unrealistische Zielvorgaben? Und: Überschätzen Sie zuweilen, was Ihre Mitarbeiter in der ihnen vorgegebenen Zeit stemmen können?

Wünschen Sie mehr Infos über die Autoren dieses Blog-Beitrags und die Leistungen der PRofilBerater, dann klicken Sie hier. Möchten Sie künftig über neue Blog-Beiträge informiert werden? Wenn ja, dann senden Sie uns bitte eine Mail.